
Ich war das zweite Mal in Berlin auf der Fashion Week und ein paar Tage lang habe ich mich gefühlt, als hätte ich eine Art Jetlag.
Auf der Fashion Week sein ist für mich immer noch ein Erlebnis und auch beim zweiten Mal ist vieles noch so neu. Man geht auf Events und Shows, lernt neue Bloggerkollegen kennen und die Eindrücke rauschen an einem vorbei. Im Zelt kannst du dich zwischen zwei Shows schminken lassen, jemand macht dir die Haare oder zaubert dir tolle Nägel und du kannst so ziemlich trinken was du magst – alles für lau.
Gespräche drehen sich darum, wer auf welcher Show du warund was in welcher Goodie Bag drin war. Schimpferei, wie unfähig hier gearbeitet wird, weil Platzkarten zweimal vergeben werden, die Musik zu laut oder zu schief ist und bei dem furchtbaren Licht kann Otto-Normal-Blogger kein ordentliches Foto schießen, also wird lieber selbstverliebt mit Snapchat gequatscht. Es ist irre. Es ist nicht die richtige Welt.
Während ich am Donnerstag den Ku’Damm auf und ab laufe und die große Shoppingvielfalt Berlins genieße, überkommt mich schon fast ein schlechtes Gewissen. Ich hoffe so sehr, dass mich hier keiner sieht. Ich sollte auf irgendeinem Event sein, auf einer Show kritisch die Augenbraue nach oben heben oder die Mädels am Counter davon überzeugen, dass ich auf jeden Fall auf der Gästeliste stehe und da rein muss, komme was wolle.
Bin ich das wirklich oder ist das nur der Rausch der Fashion Week?
Aber das bin ich eben nicht. Ich habe es mal wieder vercheckt im Vorfeld die Agenturen und Designer zu informieren, dass es mich gibt und dass ich furchtbar wichtig bin und unbedingt in ihren Shows sitzen muss. Ebenso habe ich mir im Vorfeld weniger Gedanken gemacht über meine Outfits. Ich dachte ich bin dieses Mal entspannter und gehe einfach so, wie ich bin. Ich bringe meinen normalen Kleiderschrankinhalt mit, trage was mir gefällt und worin ich mich wohlfühle. Und in Berlin angekommen fühle ich mich wie betrunken von all den modischen Eindrücken. Ich bin voll, zweifle an meinem Kofferinhalt und bin nicht einmal in der Lage ordentlich shoppen zu gehen. Es ist mir alles zu viel. Beim Streifzug durch die Läden kann ich nicht mehr unterscheiden, gefällt mir das wirklich, werde ich das auch im normalen Leben noch tragen können, bin das wirklich ich oder ist das einfach nur der Fashion Week Rausch?
So fotografiert dich keine Street Style Fotograf oder: Das Leben trifft die Fashion Week
Während ich mich stundenlang über den Ku’Damm geschleppt habe, eingeschüchtert und unfähig etwas zu kaufen steht mein Auto gemütlich im Parkhaus und häuft sündhafte Parkgebühren an. Beschweren ist aber nicht drin, es ist schließlich Fashion Week und was kostet schon die Welt. Über Geld spricht man hier nicht, das hat mein einfach. Oder ist lieber leise.
Mein Auto jedenfalls entscheidet kurz vor der Schranke des Parkhauses, dass es auf Berlin keinen Bock mehr hat und steigt aus. Um mich herum entbrennt ein Hupenkonzert erster Klasse und ich wünsche mir einfach nur noch wegzurennen. Vielleicht direkt nach Hause, auf mein Sofa, zu meinem Hund und meiner Jogginghose. Irgendwas Reales. Stattdessen werde ich von zwei Männern, nachdem sie mir die richtige Bedienung meiner Kupplung erklären wollen, zurück in die Parklücke geschoben. Ich rufe den ADAC. Das tue ich öfter und deswegen und weil ich müde bin und weil ich Heimweh nach Hund und Jogginghose habe, kommen mir ganz mädchenlike die Tränen. Im Parkhaus. Während der Fashion Week. Congrats!
Nach dem ganzen Abschlepptheater, der kuriosen Zeit in einer Berliner Autowerkstatt, wo ich liebevoll Mäuschen genannt und mit Schokolade und Wasser versorgt werde, habe ich noch genug Zeit um mit meinem neuen ADAC Mobil zum Zelt zu düsen und rechtzeitig zur Show von Maisonnoée zu kommen. Foxy wartet schon und ich brauche so dringend irgendeinen Menschen bei dem ich mich mal kurz zu Hause fühlen kann.
Zum umziehen bleibt keine Zeit. Ich trage Jeans und weiße Bluse. Habe zweimal kurz geheuelt und das hält vermutlich selbst der tolle Chanel Lidschatten, den ich mir endlich geleistet habe nicht aus. Meine roten Lippen kann ich nicht nochmal nachziehen und für hohe Schuhe fehlen mir einfach die Nerven.
Ich sehe nicht schlecht aus. Das Outfit ist ok. Ganz normaler Shoppinglook. Aber SO fotografiert dich kein Street Style Fotograf. Und das wäre für manche hier schon ein Grund lieber nicht aufzutauchen.
Mich jedenfalls ereilt nach der Show der nächste Hammer. In meiner Eile habe ich falsch geparkt, so richtig falsch und kann nur froh sein, dass in dem Haus vor dem ich stehe nicht gerade heute ein Feuer ausbrechen wollte. Der Hauseigentümer ist trotzdem stinksauer und lässt sich nicht beruhigen. Ich bin nur noch fertig und möchte nach Hause. Sämtliche Aftershowparties platzen. Ich möchte in die Realität. Zu meinem Hund und meiner Jogginghose.
Der Fashion Week Jetlag vs. die Realität
Und dann? Dann bin ich wieder zu Hause bei Hund und Jogginghose und habe mich selten so gefreut einfach nur im Gammellook zum Müll zu laufen. Ich fühle mich müde und irgendwie durcheinander. Die Woche war toll und ich hab wirklich viele nette Mädels kennengelernt. Ich weiß, dass ich zu dieser Welt dazu gehören möchte und irgendwie auch schon tue. Ich weiß aber auch, dass es gut ist, sich das alles mit Distanz anzuschauen. Dass man nicht weniger wert ist, nur weil man nicht in der Front Row sitzt. Dass jeder hin und wieder an seinem Outfit zweifelt, denn vor allem die Street Style Fotografen können ehrlich und gemein sein. Ich weiß, dass das Bloggerbusiness nicht nur nett ist und nicht jeder aus dieser Welt sein Lächeln ernst meint. Und ich weiß einmal mehr, dass das alles harte Arbeit ist. Aber ich bin dankbar für alle Erlebnisse während der Fashion Week. Dankbar für diesen bunten Rausch an Eindrücken und Gefühlen. Für jede einzelne Show und jedes Event und ja, ich muss das unbedingt wieder erleben!
Bluse H&M – Shorts New Yorker – Tasche Primark – Schuhe Colluseum – Uhr Daniel Wellington
Vielleicht muss man die Fashion Week einfach wie einen langen Flug in einen spannenden Urlaub sehen. Er beschert dir einen Jetlag und manchmal fühlst du dich danach durcheinander und ein bisschen fertig. Aber am Ende der Reise hast du so viel Neues gelernt, viele neue Menschen getroffen und viele Erkenntnisse mit nach Hause genommen.
The best journey always takes you home
– Julie –
Pics by DLPhotography